Selbst im digitalen Zeitalter ist der Bleistift nach wie vor ein unentbehrliches Schreib- und Zeichenutensil. Seine Entstehung reicht bis ins Jahr 1565 zurück, als im englischen Cumberland ein Stoff gefunden wurde, der sich zum Schreiben eignete. Man schnitt das Material, das man irrtümlich für Blei hielt, in schmale, rechteckige Stäbe und versah es mit einem Holzmantel – der Bleistift war geboren. Der Name hat sich bis in die heutige Zeit erhalten, obwohl bereits 1778 durch den Chemiker Scheele nachgewiesen wurde, dass es nicht Blei, sondern kristallisierter Kohlenstoff war, der später die Bezeichnung Graphit erhielt.
Ein Meilenstein in der Entwicklung des modernen Bleistifts war die Erfindung des Österreichers Hardtmuth und des Franzosen Conté Ende des 18. Jahrhunderts, wegen der Verknappung des englischen Graphits Ton beizumischen, wodurch verschiedene Härtegrade erzielt werden konnten.
Seitdem hat der Stift die Welt erobert, was vor allem am Pioniergeist eines deutschen Unternehmers liegt: Lothar von Faber (1817 – 1896), der die familiäre Manufaktur im fränkischen Stein zur globalen Marke ausbaute. Das Familienunternehmen ist mittlerweile der weltgrößte Hersteller von holzgefassten Stiften mit einer Produktion von über zwei Milliarden pro Jahr, hat aktuell Produktionsstätten in neun Ländern und beschäftigt 8.000 Mitarbeiter.
Wenn uns die Herstellung eines Bleistifts vorher simpel erschien, so konnten wir bei Führungen durch die Fertigungsanlagen von Faber-Castell feststellen, wieviel Know-how in diesem Produktionsprozess steckt.
Die historischen Produktionsräume von Faber-Castell, die sich über zwei Ebenen erstrecken, sind seit 2006 als Museum „Alte Mine“ zu besichtigen. Das Gebäude stammt aus dem Jahr 1848 und steht unter Denkmalschutz. Bis 1960 wurden die unteren Räume noch zur Reinigung von Graphit und Ton genutzt, aus Gründen des Umweltschutzes wird das Material seitdem bereits gereinigt geliefert.
An originalen Fertigungsstätten werden die Besonderheiten der Minenfertigung im 19. und 20. Jahrhunderts gezeigt. Der Rundgang führt an den Lagern, Werkstätten, dem historischen Labor vorbei und zeigt auch den ehemaligen Verwaltungsbereich. Neben einem Überblick über die Firmengeschichte sind die ausgestellten bunten historischen Verpackungen und Werbebilder von Faber-Castell äußerst sehenswert.
In der modernen Fertigung erledigen überwiegend Maschinen die ehemals mühsame Handarbeit. Während des 1,5 stündigen Gangs durch die Fertigung der holzgefassten Stifte waren wir beeindruckt von den vielen Prozessen – etwa 200 Arbeitsschritte – die ein Stift bis zu seiner Fertigstellung durchläuft.
Die Bleistiftminen bestehen aus einem Gemisch aus Graphit, Ton und Wasser; je höher der Graphitgehalt, desto weicher und dunkler ist die Mine. Die Minen für Farbstifte bestehen hauptsächlich aus Farbpigmenten, Kaolin und Bindemitteln. Mit hohen Druck wird die Masse durch Düsen gepresst, die so entstandenen Minen werden bei 120°C getrocknet. Nur die Bleistiftminen kommen danach noch für 45 Minuten bei ca. 1000°C in einen Härteofen, bei den Farbminen würden bei so hohen Temperaturen die Farbpigmente zerstört. Das anschließende Wachsbad macht sie geschmeidig, erst jetzt sind sie schreibfähig. Der nächste Schritt ist die Holzfassung aus Zedernholz. In die bereits zugeschnitten bezogen Brettchen werden sieben Kerben gehobelt, ein Spezialleim verhindert das Herausfallen der Minen. Im nächsten Fertigungsschritt kommen die Minen in die Holzrillen und es wird ein zweites Brettchen mit ebenfalls sieben Rillen darüber gepresst. Die daraus entstehenden „Sandwiches“ werden eine Stunde lang getrocknet, danach formt eine Hobelmaschine die Stifte aus dem Holz.
Die meiste Zeit wird für die Verschönerung der Stifte aufgewendet. Für eine makellose Oberfläche erhalten sie 6-12 Lackschichten mit einem umweltfreundlichen Lack auf Wasserbasis, werden mit ihrem jeweiligen Härtegrad bzw. ihrer Farbe und dem Logo von Faber-Castell bedruckt. Manche Stifte erhalten einen Radiergummi am Stiftende oder spezielle Noppen im Griffbereich. Im letzten Produktionsschritt werden sie mit Schleifpapier gespitzt und durchlaufen eine Qualitätsprüfung.
Text: Ursula Michalke
Fotos: © Faber-Castell