Ein Vortrag von Professor Jörg Krämer
Für Thomas Mann war die Musik eine lebenslange Weg- und Werkbegleiterin. Er wuchs in einem sehr musikaffinen familiären Umfeld heran, seine Mutter war selbst musikalisch und hatte regen Kontakt zu Musikern und Sängern, sowohl in Lübeck als auch später in München. Thomas Mann lernte Geige spielen und hatte zeitlebens ebenfalls viele Freund- und Bekanntschaften mit Musikern, Dirigenten und Komponisten, beispielsweise mit Bruno Walter, Otto Klemperer, Arthur Rubinstein und Igor Stravinsky. Durch seinen Schwager Klaus Pringsheim sowie im Elternhaus seiner Frau Katia – ihr Vater Alfred Pringsheim gehörte zu den größten Wagner-Verehrern und -Kennern seiner Zeit und hatte diesen und die Festspiele finanziell unterstützt und Werke von ihm bearbeitet – vertieften sich Kontakte und Kenntnisse Manns weiter.
Thomas Mann befasste sich sehr intensiv mit der Musik, täglich besuchte er Opern- und Konzertaufführungen oder hörte Radioübertragen und Schallplatten. Das Grammophon stand in seinem Arbeitszimmer und durfte nur von ihm bedient werden.
Musik war für ihn der Inbegriff und die Besonderheit der deutschen Kultur und galt ihm als Vorbild: Literatur soll sich an Musik orientieren. Richard Wagners Kompositionen waren für Mann das Vorbild für seine Literatur hinsichtlich des Aufbaus, Stils und der Symbolbildung. Nach einer Einladung zu einer Vortragsreihe im Ausland anlässlich des 50. Todestages Richard Wagners kehrte Thomas Mann auf Anraten seiner Kinder 1933 nicht mehr nach Deutschland zurück. Er hatte die Gefahr, die auf der Großartigkeit der Verführungskunst der Wagnerischen Musik beruhe, thematisiert, was bei den Nationalsozialisten Empörung hervorgerufen hatte.
In Thomas Manns Werken, etwa in den Buddenbrooks – wofür er 1929 den Nobelpreis für Literatur erhielt – im Zauberberg oder ganz besonders in Doktor Faustus, spielt die Musik eine entscheidende Rolle. In dem Kapitel „Fülle des Wohllauts“ im Zauberberg beschreibt Thomas Mann eingehend fünf Musikstücke auf Lieblingsschallplatten von Hans Castorp : Giuseppe Verdis Aida, Claude Debussys Prélude à l’après-midi d’un faune, Georges Bizets Carmen, Charles Gounods Faust und Franz Schuberts Der Lindenbaum. Vor allem das zuletzt genannte Lied wird zum Leitmotiv des Romans.
Thomas Mann beschrieb Musik wie kein anderer, das machte uns Professor Krämer anhand von Textbeispielen und dem Vorspielen der entsprechenden Musikstücke deutlich.
Bildnachweis: Bundesarchiv, Bild 183-R15833 / Foto: o. Ang. 1932